Fachkräftemangel Headhunter jagen der Konkurrenz die Handwerker ab
Bild von Philippe Ramakers auf Pixabay
27.11.18 | 10:33 Uhr
Man kennt es aus dem Fußball: Der FC Bayern sucht sich die besten Spieler aus, die Konkurrenz kann finanziell nicht mithalten. Das Prinzip gibt es auch im Handwerk. Für die betroffenen Unternehmen ist das oft ein harter Rückschlag. Von Oliver Soos
Die Berliner Bäckerei-Inhaberin will anonym blieben. Dass ihr Mitarbeiter abgeworben wurden, ist ihr unangenehm, doch sie möchte erzählen, wie es abläuft. „Wir sind eine sehr familiäre Firma, die Mitarbeiter sind uns ans Herz gewachsen“, erzählt sie. „Deshalb waren wir jedes Mal sehr enttäuscht, als uns die Mitarbeiter weggebrochen sind.“ Sogar Lehrlinge im dritten Lehrjahr hätten den Betrieb gewechselt, zum Teil weil es woanders einen Euro mehr pro Stunde gab.
Headhunter sprechen gezielt Leute an
Die Bäckerin sagt, sie habe erfahren, dass in der Berufsschule offen über Gehälter gesprochen werde. Manche Chefs würden ihre Lehrlinge beauftragen, Klassenkameraden abzuwerben. „Gerade die neuen Bäckereiketten, die jetzt nach Berlin hineindrücken, haben uns sehr viele Leute abgeworben.“
In der Baubranche wird aggressiver abgeworben. Thorsten Dressler, ein Dachdecker aus Berlin-Lankwitz, hat das, wie er erzählt, auf einem Parkplatz in Steglitz beobachtet. Vor einem Großhandel für Gas- und Wasserinstallation würden manchmal Headhunter stehen und jeden ansprechen, der aus dem Auto steigt. „Sie bieten eine Prämie von 2.000 Euro und zwei Euro mehr pro Stunde als der aktuelle Arbeitgeber. Manche Arbeiter sind interessiert, andere ignorieren das“, erzählt Dressler.
„Der Markt ist voll, die Leute sind gesättigt“
Hans Peter Blisse von der „AVP – Arbeitsvermittlung und Personalberatung“ in Berlin-Oberschöneweide ist so ein Headhunter. Doch er würde sich nie vor einen Baumarkt stellen. Blisse hat auf verschiedenen Baustellen Informanten, die nach guten Arbeitern Ausschau halten und Kontakte sammeln. Pro Jahr wirbt der Headhunter etwa zehn bis zwölf Handwerker für seine Kunden ab. Schwerpunkte seien dabei die Branchen Hochbau, Heizung, Sanitär- und Elektrotechnik. Besonders begehrt seien Bauleiter. „Der Markt ist voll, die Leute sind gesättigt, sie haben Arbeit“, sagt Blisse. „Der Wechselwille ist vielleicht unterschwellig da, aber nicht ausgeprägt. Da muss man dann auf die Personen zielgerichtet zugehen.“
Oft rufe er unter einem Vorwand bei einem fremden Unternehmen an und lasse sich mit der Zielperson verbinden. Dann komme es zu einer Art Vorverhandlung. Blisse versuche auszuloten, unter welchen Bedingungen der Arbeiter den Betrieb wechseln würde. Ein schlechtes Gewissen habe er Headhunter übrigens nicht, sagt Blisse, denn seine Kunden seien oft selbst die Gelackmeierten. Arbeiter abwerben sei in der Baubranche mittlerweile gang und gäbe.
Sendung: Inforadio, 27.11.2018, 07:05 Uhr, Beitrag von Oliver Soos